Aanewenge

Aanewenge von Peter Bürger Autor(in): Bürger, Peter
Herausgeber: Museum Eslohe
Verlag: Museum Eslohe
Erscheinungsjahr: 3. Auflage 2012
Preis: 30,00 €

Autor: Peter Bürger, (704 Seiten; fester farbiger Einband; 30,00 €), 3. Auflage 2012

 

Das Leuteleben im ehemals kurkölnischen Sauerland war bis in die jüngste Vergangenheit vor allem kleinbäuerlich und katholisch geprägt. Die Landschaft galt noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als rückständig oder sogar verwahrlost. Das selbstbewußte, hartnäckige Heimatlob der Sauerländer ist erst später entstanden. Es muß wohl auch vor dem Hintergrund eines – überwundenen – Minderwertigkeitskomplexes gedeutet werden.

Dieses Buch handelt vom Leben der kleinen Leute im Sauerland und von ihrer Sprache. Einstmals war in allen Dörfern ein eigentümliches Plattdeutsch mit vielen Doppelselbstlauten zu hören. Heute wird es nur noch von wenigen Sauerländern gesprochen. Lange bevor Heimatdichter diese Sprache in gedruckten Texten festhielten, sangen die Leute bei alltäglichen oder festlichen Anlässen ihre eigenen kleinen Lieder.

Hier nun liegt – mit mehr als 1.500 Belegen – erstmals eine umfassende Sammlung der plattdeutschen Leutedichtungen vor, die im Sauerland früher bekannt waren. Die Lektüre soll keineswegs nur Liebhaber des Plattdeutschen und Sprachforscher ansprechen. Sie lohnt sich für alle, die an der sauerländischen Regionalgeschichte interessiert sind.

Das Leutegut hatte einen vielfältigen „Sitz im Leben“. Es erschließt wirtschaftliche, soziale, kulturelle und religiöse Verhältnisse der Vergangenheit: Sängerinnen erzählen in befremdlichen Wiegenliedern etwas von ihren Nöten. Hütekinder verständigen sich fern des Dorfes mit einer ganz „konkreten Poesie“. In Heischeliedern bittet der Nachwuchs ärmerer Leute darum, auch eine Wurst von der Hausschlachtung abzubekommen. Bei der Flachsverarbeitung werden Ripp-Räppe über die Liebschaften der Nachbarschaft ausgetauscht. Plattdeutsche Prozessionslieder und Heilsprüche verraten eine eigensinnige Frömmigkeit. „Vogelstimmen“ lassen erahnen, wie gut man einmal den Tieren zugehört hat … Der Autor dieser neuartigen sauerländischen „Leutekunde“ sympathisiert bei seinen Erkundungen mit der Lebenskunst der kleinen Leute, ohne das Anstößige und Häßliche zu unterschlagen. Das Buch ist eine Liebeserklärung an leibhaftige Lebensräume – nicht nur im Sauerland.

Dies ist die erste „Leutekunde“ aus dem Sauerland im Zeitalter der Globalisierung, zugleich ein Votum für den weltweiten Dialog der Kleinräume. Der Autor wendet sich gleichermaßen gegen einen aggressiven, ausgrenzenden Heimatgedanken und gegen eine „Einheitskultur“ der Medienkonzerne.